21.07. Seligenstadt

Drei Tage sind wir nun ohne die Flöße unterwegs, weil es auf der Strecke Würzburg-Aschaffenburg entweder kein Interesse an unserem Projekt oder aber zu wenige Unterstützer gab, um sinnvolle Aktionen zu bestreiten. Daher haben wir uns entschlossen, andere Interessenten einzubeziehen, auch wenn sie fernab von den Lagern sind. In Seligenstadt / Hainburg zum Beispiel, wo man uns wundervoll empfängt – obwohl das Flüchtlingsheim natürlich wiedermal schon von Außen einen sehr traurigen Eindruck macht. Der Hausmeister hat sich geweigert, uns für das Kinderprogramm einen Raum zur Vefügung zu stellen und ist, nachdem ihn Susann – die hier vor Ort eine tolle Flüchtlingshilfearbeit macht – darüber aufklärt, dass wir eine hochoffizielle Genehmigung haben, plötzlich mitsamt Schlüssel verschwunden und nicht mehr erreichbar. So führen wir also unser Programm im Innenhof auf. Tameru musste zurück nach Fürth – der Beamte dort erklärt uns am Telefon, er sähe weder die Notwendigkeit von Tamerus Teilnahme noch die Notwendigkeit eines solchen Projekts überhaupt. Daher keine Reisegenehmigung, daher nur Shane und seine Puppen. Bald haben sich die Kinder, aber auch viele Erwachsene versammelt und staunen über Shanes Puppenkunst. Ich finde großartig, dass er nicht versucht, über spektakuläre, schrille Szenen die Menschen zu begeistern, sondern auch ganz verträumte und sanfte Geschichten mit seinen Puppen erzählt. Was für ein Kontrast zu der ernüchternden heruntergekommen Lieblosigkeit der Flüchtlings“heime“ (ich bleib lieber beim Ausdruck „Lager“, denn ein „Heim“ ist ja ein Ort, in dem man zumindest die Chance hat, sich heimisch zu fühlen. Das ist in diesen Gebäuden so gut wie nie der Fall!).

Leider sind aus den gestern erwähnten Gründen keine Flüchtlingsfrauen mit uns mit dabei – meine Versuche, mich den dortigen Frauen zu nähern, mit ihnen zu sprechen, scheitern wie immer eigentlich an sprachlichen Barrieren, an misstrauischen Ehemännern oder an kulturell oder biografisch bedingter Zurückhaltung. Viele schlimme Geschichten im Kopf, von häuslicher Gewalt, sexueller Bedrängung, von der Not, alleine mit kleinen Kindern in diesen überfüllten, heruntergekommenen Bauten leben zu müssen, zu geistigem Stillstand gezwungen, zu alltäglichen Ängsten und Unannehmlichkeiten durch fehlende Privatsphäre, geistern mir im Kopf herum und ich vertiefe mich, um nicht traurig zu werden, in Shanes Puppenspiel, das so viele schöne, selbstvergessene Momente zaubert.

Der evangelische Gemeindesaal, in dem wir auftreten, ist gut gefüllt, viele aufmerksame Zuschauer, viel Unterstützung und Interesse. Allerdings auch Enttäuschung, dass mit Akram nur eine einzige Flüchtlingsfrau auf der Bühne steht, und dass eben auch nur ich die Ansagen mache und die Informationen weitergebe. Natürlich erzähle ich warum und wieso, während Sabine schon die ganze Zeit draußen telefoniert und mails schreibt, um wenigstens ein paar deutsche Unterstützerinnen für die Flöße zu bekommen, bei denen Christof und Maike sechzehn Stunden in Minimalbestzung, also mit nur einer weiteren Person, Schwerstarbeit leisten. Rücksprache mit Women-in-exile ergibt leider keine gute Nachrichten. Carolin ist noch immer krank und mit Verstärkung ist erst in zwei-drei Tagen zu rechnen. Zwei sehr große Tageszeitungen sagen daraufhin ihren Besuch auf den Flößen ab.

 

Seligenstadt

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